Bigbands gestern und heute: Make it big
Nichts als gediegener Jazz aus der guten alten Zeit? Von wegen – deutsche Bigbands bieten viel mehr als traditionellen Swing und zeigen, wieviel Potenzial in dieser Besetzung steckt. Wir spüren dem Phänomen Bigband nach und porträtieren Count Basie’s Erben.

Wer Bigbands nur mit den üblichen Swing-Nummern eines Duke Ellington oder Count Basie verbindet, ist nicht auf der Höhe der Zeit. Moderne Bigbands überzeugen mit zeitgemäßen Arrangements, die keine musikalischen Grenzen zu kennen scheinen. Blues, Soul und Latin stehen hier ebenso auf dem Programm wie knackiger Funk und sogar straighte Rock-Nummern. Seit der Jahrtausendwende haben Stars wie Jamie Cullum, Michael Bublé oder Diana Krall eine totgeglaubte Stilrichtung wiedererweckt und die Musik dabei gleich einer Frischzellenkur unterzogen. Auch Superstar Robbie Williams sprang 2001 auf den Zug auf und sorgte für zusätzlichen Rückenwind mit seiner Frank-Sinatra-Hommage „Swing, when you’re winning“.
Und auch deutsche Bigbands müssen sich heute nicht verstecken. Der in diesem Jahr leider zu früh verstorbene Roger Cicero mit seiner Band ist dafür ebenso ein Beispiel wie die professionellen Orchester der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Köln, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart. Bis dahin war es allerdings ein langer Weg, der auch durch das Tal der Vergessenheit führte.
Anfänge und Blütezeit der Bigbands
Bigbands entstanden in den späten 1920er-Jahren in den USA. Bis dahin gaben Tanzbands allseits beliebte Melodien zum Besten und wiederholten sie so oft, bis das Lied eine gewisse Länge erreicht hatte. Mit dem New Orleans Jazz entstand in den 1920er-Jahren ein neuer Musikstil, in dem jedes Instrument seine eigene Rolle spielte: Solos und „Battles“ waren an der Tagesordnung. Da die Konzert-Locations im Laufe der Zeit immer größer wurden und an elektrische Verstärkung der Instrumente damals noch nicht zu denken war, wurde der Wunsch nach größeren Ensembles immer lauter. Fletcher Henderson fasste in den 1920er-Jahren die Blasinstrumente in Gruppen zusammen und schrieb als erster jene kompakten Sätze, die für den Bigband-Sound so charakteristisch sind.
Den angesagten Hotels und Clubs jener Zeit kam dieser Trend gerade recht. Sie wollten ihren zahlenden Tanzgästen die aktuellen Hits in größeren Ensembles bieten, und so wurde ein großes Orchester schnell Beweis für einen hohen gesellschaftlichen Status des Hotels. Bigband-Leiter wurden engagiert, die ihre Arrangements selber schreiben konnten. Auch qualitativ entwickelten sich die Bands weiter und waren nicht mehr vergleichbar mit den früheren Ensembles des New-Orleans-Stils.
Zwischen den 1930er- und 1950er-Jahren erlebten die Bigbands ihre Blütezeit. Es war die Zeit der großen Altmeister Duke Ellington, Glenn Miller, Artie Shaw, Cab Calloway – und natürlich Count Basie mit seinem eher „schwarzen“ Bigband-Sound. Längst hatte sich eine klassische Besetzung herauskristallisiert: fünf Saxophone, vier Trompeten, vier Posaunen und eine Rhythmusgruppe, die aus Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug besteht. Seit Ende der 1930er-Jahre konnte die Gitarre elektrisch verstärkt werden. Charlie Christian, damals Gitarrist in der Band des berühmten „King of Swing“ Benny Goodman, setzte sein Instrument solistisch ein und ebnete damit den Weg für zahlreiche virtuose E-Gitarristen.
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Kurzinterview mit Uwe Granitza
Uwe Granitza ist Posaunist und Bandleader der Roger Cicero Band, die nach dem Tod ihres berühmten Frontmannes nach neuen Perspektiven Ausschau hält. Wir fragten ihn:

Wie definieren Sie die Bigband der Gegenwart?
Die Bigband ist im Jazz das Pendant zum Orchester. Ansonsten sollte man den Begriff nicht zu sehr eingrenzen, sondern ihn lieber immer weiter aufmachen. Neue Wege sind gefragt und Experimentierfreudigkeit.
Was zeichnet den Sound der Roger Cicero Band aus?
Wir bewegen uns auf der Grenze zwischen Combo und Orchester. Auf der einen Seite bieten wir einen orchestralen Sound, auf der anderen Seite sind Schlankheit und Schnelligkeit gefragt. Die Band funktioniert dann wie eine Soul-Combo mit entsprechender Horn-Section und geht musikalisch ein wenig in Richtung „Tower of Power“.
Wie erreichen Sie diesen Sound?
Wir haben insgesamt vier Musiker weniger als in einer klassischen Besetzung. Ein Tenorsax fehlt, die Stimme wird bei Bedarf von der zweiten Posaune übernommen. Außerdem haben wir nur jeweils zwei Trompeten und Posaunen. Dadurch wird der Klangkörper kompakter und kann mehr Druck entwickeln.
Wie geht es nach dem Tod von Roger Cicero weiter?
Die Band befindet sich noch in einer Schockstarre – wir sind gerade dabei, neue Ansatzpunkte für
die Zukunft zu finden.
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Tags: Interview