Fünf Jahre Apple iPad für Musiker: Zwischenbilanz
Tablet-PCs liegen im Trend. Und Musiker lieben vor allem das Apple iPad: beim Live-Gig, als mobiles Studio oder zum digitalen Kommunizieren. Mit diesem Special zeigen wir Ihnen, welche Anwendungen für das iPad Sie unbedingt kennen und ausprobieren sollten.

Vor über fünf Jahren, am 27. Januar 2010, präsentierte der inzwischen verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs sein letztes neues Produkt, das den Markt nachhaltig verändern sollte: Das iPad ist ein klassischer Tablet-PC mit 9,7 Zoll großem Touchscreen, der per Multi-Touch-Gesten einfach zu bedienen ist. Neben der Begeisterung waren auch polemis≠che Reaktionen zu hören: Ist das nun das große iPhone für Rentner? Keineswegs, denn die Spezies Tablet-PC leistet in der Praxis weit mehr als ein vergrößertes Smartphone. Es ist ein seriöses Add-on für die Arbeitswelt. Nicht nur das Potenzial, sondern auch die günstigen Preise der Apps sind verlockend.
Schnell mischte der neue Tablet-PC die Musikinstrumenten-Branche auf. Selbst traditionelle Hersteller wie Korg, Roland und Yamaha stellten Apps vor. Die tastenwelt reagierte schnell auf diesen Trend und startete in Ausgabe 1/2011 eine Workshop-Serie, die iPad-Anwendungen speziell für Musiker thematisiert.
Die iPad-Modellserie entwickelte sich rasch weiter. Die Geräte wurden dünner, leichter und auch leistungsfähiger. Apple brachte mit dem iPad eine Kamera, mit dem iPad 3 einen noch schnelleren Prozessor und das Retina-Display. Mit dem iPad 4 verabschiedete sich Apple vom 30-Pin-Anschluss und führte den bis heute üblichen Lightning-Anschluss ein. Aktuell ist das im Herbst 2014 erschiene iPad Air 2 in den Speichergrößen 16, 64 und 128 GB. Als handlichere Alternativen sind die iPad-mini-Modelle und das iPhone 6 Plus, eine Mischung aus Smartphone und Tablet (= „Phablet“) zu sehen.
Ein aktuelles Modell wählen Selten in der Technikwelt und gut für Kaufwillige: Das Produkt-Sortiment ist überschaubar. Sie müssen also nicht lange suchen. Der Kauftipp lautet iPad Air 1 oder 2 mit 64 GB Arbeitsspeicher. Wenn Sie überall per Mobilfunknetz online sein möchten, nehmen Sie ein Modell mit „Wi-Fi + Cellular“ anstelle der günstigeren WLAN-Ausführung. Mit rund 500 Euro Anschaffungskosten für das iPad sollten Sie rechnen. Eine gute Adresse für den Kauf ist natürlich der Hersteller selbst. Im Online Apple Store finden sich auch immer wieder günstigere „Refurbished Modelle“. Dies sind generalüberholte Geräte mit einjähriger Garantie. Keinesfalls sollten Sie sich heute ein älteres iPad zulegen. Wie am ersten iPad zu sehen, ist es eine Frage der Zeit,
bis Apple neuere Betriebsysteme nicht mehr auf älteren Geräten unterstützt und somit auch aktuelle Versionen von Musik-Apps nicht mehr lauffähig sind. Das Gute: iPads haben einen für Computerprodukte hohen Wiederverkaufswert. Sollten Sie auf die nächste Generation wechseln, bekommen Sie Ihr altes Modell stressfrei verkauft. Mit Ihrem verknüpften Konto, der so genannten Apple ID, können Sie alle bisher gekauften Apps auf das neue iOS-Gerät übernehmen.
Das Betriebsystem erfand Apple beim iPad nicht neu: iOS kam bereits 2007 beim ersten iPhone zum Einsatz. Für Musiker entwickelte sich iOS positiv: Nach den Schnittstellen „Virtual MIDI“ und „Core MIDI“ war das mit iOS 7 eingeführte „Inter-App Audio“ ein enormer Schritt, weil viele Musik-Apps nun untereinander MIDI- und Audio-Daten austauschen können. Eine Studio-App wie Steinberg Cubasis lässt sich so mit separaten Apps um Instrumente und Effekte erweitern. Dass es möglich ist, die vielen Anwendungen auf dem iPad sinnvoll untereinander kooperieren zu lassen, zeigte bereits die App Audiobus, die Audio-Streaming ermöglicht.

Musikhören und -machen
Neuerdings scheint auch das Musikhören grenzenlos zu sein. Die aktuelle Betriebssystemversion iOS 8.4 umfasst die heiß diskutierte App „Apple Music“. Mit ihr führt Apple nun einen eigenen Musik-Streaming-Dienst ein und macht vor allem dem Platzhirschen Spotify Konkurrenz. Für eine monatliche Pauschale von rund 10 Euro können Sie beliebig viele Titel der über 30 Millionen Songs im iTunes Store auf Ihren iOS-Geräten konsumieren. Eine dreimonatige Probemitgliedschaft lässt sich zunächst kostenlos nutzen. Übrigens können Sie bei Apple Music auch Siri, die Spracherkennungs-Assistenz, bemühen. Sprechen Sie beispielsweise „Spiele Hits aus dem Jahr 1978“, so macht Siri Ihnen entsprechende Titelvorschläge. Spielerisch einfach also können Sie Ihre Repertoire-Kenntnisse erweitern oder auffrischen.
Für die Aufnahme oder Wiedergabe von Musikdaten müssen weitere Geräte ans iPad angeschlossen werden, mit denen Sie vor allem Audio- und MIDI-Daten austauschen können. Den beim iPad fehlenden USB-Anschluss können Sie übrigens mit dem Apple eigenen Lightning-auf-USB-Adapter (ca. 30 Euro) nachrüsten. Im Kasten Hardware-Zubehör stellen wir Ihnen weitere sinnvolle Erweiterungen für Ihren Tablet-PC vor.
Am Mikrofonstativ montiert ersetzt das iPad immer häufiger die Notenmappe oder den Leadsheet-Ordner.

Nichts ist unmöglich
Bis heute schießen Apps wie Pilze aus dem Boden. Nach der Devise „viel hilft viel“ können Sie das iPad tatsächlich sehr oft einbringen. Auf der Bühne und im Proberaum hilft das Tablet vor allem beim Darstellen von Noten oder Songtexten (Lyrics). Passende Apps sind forScore, OnSong, unrealBook oder das GigBook von DeepDish. Kostenlos steigt man bei piaScore ein, In-App-Käufe sind möglich. Noten und Playalongs gibt’s bei Yamahas Notestar. Noten und Keyboardsteuerung vereint findet man bei SongBook+. Ein mühsames und oft auch sogar störendes Umblättern von Seiten per Hand ist beim iPad nicht mehr nötig. Mit dem Bluetooth-Controller AirTurn Ped (ca. 60 Euro) wenden Sie Ihre Notenblätter oder andere digitale Inhalte unauffällig per Pedal. Die Wiedergabe von Playbacks oder andere Audio-Dateien, auch speziell fürs Djing, ist ein Leichtes. Für die schnelle Aufnahme zwischendurch reicht übrigens schon die jeweils vorinstallierte Voice-Memory-App aus.
Die iDAW bietet ein weites Feld beim Komponieren, Arrangieren und Produzieren: Apple GarageBand, Steinberg Cubasis und Korg Gadget sind drei hochwertige Studio-Apps, die auf dem iPad viel Komfort bieten. Die selbst erstellten Songs lassen sich exportieren und mit der Profi-DAW auf dem PC ausarbeiten. Das Angebot an Instrumenten und anderen Klangerzeugern für die Musikproduktion am iPad ist kaum zu überschauen. Manche der Apps (z.B. Waldorf Nave) sind so gut, dass sie später als Plug-in für den Desktop-PC erschienen sind.
In der neuen iOS-Welt bekommen Sie auch neuartige Spielkonzepte. Als Alternative zum herkömmlichen Spiel über die Tastatur entdecken Sie Apps, die einen unkonventionellen Zugang zum Noten- und Akkordspiel ermöglichen. Beispiele: Chordion, Gestrument und Soundprism Pro oder die Smart Instruments von GarageBand. Als die vielleicht beste virtuelle Gitarre gilt in der iOS-Welt Guitarism.
Nicht zuletzt dient ein Tablet-PC auch als mobiles Büro samt Kommunikation. Sie verfügen über eine App für Mails, für Videochats, Nachrichten und einen Kalender. Auch die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter haben Sie im Griff. Mit der App CamScan können Sie Noten oder andere Dokumente einscannen, in die Dropbox ablegen und in einen Viewer als PDF importieren. Sie können aber ebenso Notizen, Checklisten oder Ideen für Songtexte (Lyrics) aufschreiben und zwischen Tablet, Smartphone und Desktop-PC austauschen. Dies gelingt mit der App Evernote in der kostenfreien Basis-Version.
Stöbern Sie in der Kategorie Musik im App Store, stoßen Sie auf noch viele weitere Anwendungen wie Controller-Apps zur Steuerung von DAWs (z.B. Apple Logic Remote) oder digitalen Mischpulten (wie Presonus StudioLive) oder auf nützliche Lern-Apps für Musiktheorie und Gehörbildung, praktische Tools zum Üben sowie auch auf Notenschreib-Apps. Probieren Sie zum Beispiel mal Touch Notation Free von Kawai aus. Bei vielen Apps kommen Sie aus dem Staunen nicht heraus.
[DigiEnsemble]
Vorreiter beim Musikmachen mit Smartphones und Tablet-Compuern ist das Berliner DigiEnsemble, dessen Gründer Matthias Krebs im Interview (eigener Beitrag) erzählt, warum das harte Arbeit ist und er pro Woche bis zu 20 Stunden übt.
Gute Perspektiven
Das iPad ist ein sehr mobiler, hochflexibler und erschwinglicher Partner. Bereits jetzt wird klar, dass es mehr kann als ein Metronom oder einen MIDI-Sequencer zu ersetzen. Wenn Sie ein wenig über den Beckenrand schauen, entdecken Sie viele neue und zudem sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Sicherlich fragen Sie sich, ob sich dieser gewaltige Aufwärtstrend und die allgemeine Euphorie während der ersten fünf Jahre des iPad in der Zukunft überhaupt noch toppen lässt? Die Antwort ist ein klassisches „Jain“. Einige Apps haben sich längst etabliert, die Akzeptanz des iPad wird noch zunehmen.
Persönliche Prognose: Vielleicht gibt es bald das iPad Pro, ein neues Tablet mit größerem Bildschirm. Das Betriebssystem iOS könnte längerfristig auf neuen Desktop-Rechnern und Laptops Fuß fassen. Zumindest erwartet man eine bessere Verzahnung von Desktop-Rechnern und mobilen Geräten. Eine MIDI-Tastatur plus Tablet mit einer Controller/Instrumenten-App (wie Korg Module) könnte das Setup der Band-Keyboarder von morgen sein, während der Tablet-PC im Homestudio weiter seine Stärken durch innovative Ansätze ausspielt. Ein aktueller Trend ist es zudem, das iPad als Soundquelle für den PC mit direkter birektionaler MIDI/Audio-Anbindung zu verwenden. Ab iOS 9 wird es wahrscheinlich noch einfacher werden, Tablet- und Desktop-PC miteinander zu verbinden (mehr dazu bei midimux.com, audre.io und musicioapp.com). Bleiben Sie jedenfalls dran an der Entwicklung und lesen Sie auf den nächsten Seiten, mit welchen Anwendungen Sie bereits heute erfolgreich musizieren können.
iPad: Was Einsteiger wissen sollten
Betriebssystem: Anders als bei Tablets von Samsung und anderen Herstellern nutzt das Apple iPad nicht Android, sondern iOS als Betriebsystem. Während bei Android kurze Zeitverzögerungen (Latenz) ein Problem für Musiker darstellen, ist bei Apple der Dateiaustausch umständlich. Das große entsprechende App-Angebot ist das klare Argument für den Erfolg der iOS-Geräte bei Musikern. Im Google PlayStore ist nur ein relativ kleiner Teil an Musik-Apps verfügbar. Aktuell ist iOS8.4, das nächste Betriebssystem iOS9 wird noch 2015 erscheinen.
Anwendungen: Selbst wenn Sie keine Apps kaufen möchten, brauchen Sie in jedem Fall einen Account für den App Store. Erst mit Ihrer so genannten „Apple ID“ können Sie sowohl Gratis-Apps als auch kostenpflichtige Apps auf dem iPad installieren. Manche Apps sehen einen In-App-Kauf vor, bei dem Sie zusätzliche Funktionen oder Klänge hinzukaufen können. Die Apps werden ständig weiterentwickelt. Die Aktualisierung (Update) der installierten Apps erfolgen automatisch.
Datenaustausch: Es gibt keinen Anschluss für Speichermedien wie SD-Karte oder USB-Stick. Der Austausch (File Sharing) von Dokumenten und Dateien ist zumindest mit der Software iTunes (Mac/PC) möglich. Audio-Dateien lassen sich auch über die Online-Plattform SoundCloud, per Mail oder auch via Dropbox zwischen verschiedenen Geräten tauschen.
iPad und andere Geräte: Ein Mikrofon oder Keyboards schließen Sie per separater Hardware (Interface) an. Es gibt kombinierte MIDI-Audio-Interfaces, die zuverlässig arbeiten und nicht viel kosten.
Tags: RECORDING, Home-Recording, Apps