Stagepiano Kawai MP6 im Test
Mit dem Stagepiano MP6 bringt Hersteller Kawai ein günstiges Instrument für die Bühnenshow, das mit tollen Sounds, einer sehr guten Tastatur und einigen praktischen Extras punktet.

Wie man erstklassige Stagepianos baut, hat Kawai schon oft unter Beweis gestellt. Dass einem das MP6 also auf den ersten Blick bekannt vorkommt, muss nicht weiter verwundern. Es gibt schließlich keinen Grund, das Rad neu zu erfinden. Und doch haben sich die Entwickler einiges einfallen lassen, um den Musikern Neues zu bieten, das man so in keinem anderen Instrument findet.
Piano
Los geht das bei den Sounds: Die Pianos im MP6 wurden exklusiv für dieses Instrument gesampelt und programmiert, sie sind in keinem anderen Instrument von Kawai zu finden. Dass man dabei höchste Klangqualität erwarten darf, ist bei Kawai kein großes Geheimnis. Klanggrundlage ist der Kawai EX Konzertflügel, der für jede Piano-Soundvariation individuell eingerichtet und mit allen 88 Tasten gesampelt wurde. Zusammen mit der Progressive-Harmonic-Imaging-Technologie ergibt sich dadurch ein sehr authentischer Klavierklang mit vielen Details und Klangnuancen.
Als Spieler hat man aber auch weit reichende Möglichkeiten, den Klang nach eigenen Vorstellungen zu formen: Direkten Zugriff bieten die vier Drehregler im Sound-Modify-Modus. Hier lassen sich die Parameter Cutoff, Attack, Decay und Release verändern. Wer sich noch weiter wagt, ins Menü nämlich, dem stehen noch weitere Möglichkeiten offen: Über Dämpfer-Resonanz lässt sich die Intensität dieses Klangeffekts einstellen, die auftritt, wenn man bei getretenem Haltepedal spielt. In eine ähnliche Richtung geht der Parameter Saitenresonanz; allerdings sind hier nur die Töne betroffen, die in einer Obertonverwandtschaft zu den gespielten Tönen stehen. Der Key-off-Effekt betrifft vor allem die tiefen Töne, die beim akustischen Klavier nach starkem Anschlag nicht sofort abgedämpft werden, sondern noch etwas ausklingen – beim MP6 jetzt auch digital. Der Parameter Voicing im Menü repräsentiert schließlich die Arbeit, die ein Klaviertechniker durch Bearbeiten der Hammerkopffilze erledigt. Je nachdem, ob die Filze hart oder weich sind, werden die Obertöne unterschiedlich stark angeregt und das Klangbild so entsprechend verändert. Beim MP6 wird dies elektronisch nachgebildet.
Schon dieser Ausschnitt zeigt, mit welcher Akribie man sich allein dem Pianoklang widmen kann, und der Hersteller hat bei den Werkseinstellungen schon ganze Arbeit geleistet, so dass das MP6 klanglich kaum Konkurrenz fürchten muss – auf der Bühne nicht und auch im Studio nur von wenigen exklusiven Librarys.
Sounds
Insgesamt 256 Sounds, organisiert in acht Gruppen, hat das Kawai MP6 im Repertoire und liefert dadurch alles, was man gemeinhin als Brot-und-Butter-Sounds bezeichnet. Herausragend sind die Kategorien Piano, E-Piano und Drawbar/Organ. Hier wird man sich als Musiker die Grundlagen holen; die Kategorien Strings/Vocal, Brass/Wind, Pad/Synth und Bass/Guitar liefern die Extras, die man meist in Split- und Layer-Konfigurationen (vier Zonen sind möglich) einsetzen wird. Die Sounds in diesen Kategorien sind von ordentlicher Qualität, kommen aber nicht an den Detailreichtum der Pianos und E-Pianos heran.
Eine Neuheit für ein Kawai-Instrument ist die Zugriegelorgel-Simulation, die das MP6 momentan exklusiv bietet. 12 Tonewheel-Simulatoren stehen bereit für Klangexperimente vom klassischen Sinus-Schönklang bis zur rotzigen Rockorgel. Bei aller Freude über den wirklich sehr gelungenen Sound gibt es aber auch kleinere Wermutstropfen: Die Zugriegelorgel funktioniert nur in Tastaturzone 1. Die Zugriegel müssen über das Menü registriert und das Ergebnis abgespeichert werden. Eine Echtzeitregistrierung ist leider nicht vorgesehen – nicht einmal über MIDI. So eine Fernsteuermöglichkeit könnte man dem Hersteller aber als Wunsch mitgeben, denn dafür geeignete Controller gäbe es ja schon für wenige Euro.
Für ein rundes Klangergebnis sorgen die Effektprozessoren. Zur Verfügung stehen sieben Reverb-Typen und individuell für jede Zone je 23 Effekt-Typen – von Chorus über Flanger bis Rotary und Overdrive. Die Zone 1 verfügt zudem über eine gelungene Amp-Simulation. Hierfür lassen sich Lautstärke, Verzerrungsgrad und zwei EQ-Bänder (Hi/Lo) einstellen. Von der Amp-Simulation profitieren naturgemäß die E-Pianos und Orgeln am meisten, aber auch die anderen Klangfarben laden zu kreativen Experimenten ein.

Praxis
Das Bedienkonzept des Kawai MP6 ist über einige Produktgenerationen gereift und – mit einem Wort – gelungen. Mit wenigen Bedienschritten lassen sich Splits und Layer setzen und die Grenzen der vier Zonen über Antippen der entsprechenden Tasten auf der Klaviatur festlegen. Die gefundenen Einstellungen lassen sich in 256 Setups speichern. Diese kann man auch komplett auf angeschlossenen USB-Medien sichern und wieder laden. So hat man in 256er-Happen theoretisch unbegrenzt viele Registrierungsmöglichkeiten.
Herausragend in seiner Preisklasse ist das MP6 durch seine vier Tastaturzonen, die jeweils mit einem internen und einem externen Sound belegt sein können. In der Summe sind also acht Sounds gleichzeitig ansteuerbar. Program- und Bank-Changes für externe Klangerzeuger lassen sich natürlich in den Setups speichern. So macht das MP6 nicht nur als Stagepiano, sondern auch als Masterkeyboard eine gute Figur.
Das MP6 verfügt über einen USB-Audio-Recorder, der live gespielte Musik als MP3- oder WAV-Datei auf angeschlossenen USB-Sticks speichert. So lässt sich im Handumdrehen ein aussagefähiges Demo produzieren, das man auch leicht auf CD brennen kann. Zusammen mit den 100 Drum-Rhythmen, die das interne Metronom ergänzen, hat man damit auch ein mächtiges musikalisches Notizbuch: jammen, speichern und zum Song ausarbeiten. Praktisch ist auch die A-B-Loop-Funktion des Recorders: Bei der Wiedergabe einmal drücken zum Setzen des Startpunkts, ein zweites Mal drücken für das Loop-Ende. Jetzt wird der markierte MP3-Abschnitt bis zum erneuten Drücken des Tasters wiederholt, und man kann sich so gezielt einzelne Songabschnitte heraushören und die entsprechenden Parts einstudieren.
Verbindung zum Computer nimmt das MP6 entweder klassisch über das MIDI-Trio oder über USB-MIDI auf. Das Instrument ist jedoch kein verkapptes MIDI-Interface! Signale, die über USB-MIDI ankommen, können nicht über die Standard-MIDI-Buchsen an externe Klangerzeuger durchgereicht werden. Ein Problem ist das nicht, eher die vorweggenommene Antwort auf entsprechende Nachfragen.
Fazit
Das Kawai MP6 ist ein attraktives Stagepiano, das eine sehr gute Tastatur mit erstklassigen Sounds und praktischen Funktionen in einem hochwertig verarbeiteten Gehäuse kombiniert. Der Preis von unter 1.500 Euro lässt aufhorchen und macht das Instrument zu einem heißen Kandidaten beim nächsten Streifzug durch den Musikfachhandel.
Links
Beitrag aus tastenwelt-Ausgabe 3/2011 - Heft leider vergriffen
Tags: Keyboard