Workshop Synthesizer (2): Arturia MiniBrute und MicroBrute
In diesem Workshop dreht sich alles um den MiniBrute, ein markantes Instrument der französischen Schmiede Arturia. Wir zeigen Ihnen, was Sie wissen müssen, um dem MiniBrute und dem noch kleineren MicroBrute packende Klänge zu entlocken.

Der französische Hersteller Arturia hat sich bereits vor über zehn Jahren durch Software-Emulationen so berühmter Flaggschiffe wie Moog Modular, ARP 2600 oder Roland Jupiter-8 einen Namen gemacht. Doch ist das nur das erste Kapitel aus dieser Erfolgsgeschichte. Seit 2012 bietet das in Grenoble ansässige Unternehmen kompakte monofone Hardware-Synthesizer an, die komplett mit analogen Schaltkreisen aufgebaut sind und keine Presets oder Speicherplätze haben. Nach der Premiere, dem Arturia MiniBrute, folgte ein Jahr später der noch kleinere und günstigere Bruder namens MicroBrute. Bei diesen Geräten können Sie die PC-Maus getrost beiseite lassen und platzsparend im Studio oder auf der Bühne wilde Hands-on-Sessions erleben.
Beide Synthesizer sind klein, erschwinglich und bestechen durch markante Sounds. Ihr Klangcharakter – oder genauer gesagt der „Brute“-Faktor – lässt sich mit Attributen wie hart, präsent und aggressiv umschreiben. Brute meint also brachial oder sogar brutal. Mit wenigen, aber wesentlichen Reglern und Knöpfen lassen sich Soundideen intuitiv verwirklichen. Arturia dreht gekonnt am Rad der Zeit und holt Vintage-Synthesizer in die heutige Live-Performance und Musikproduktion zurück. Bei manchen Experten drängt sich ein Vergleich mit dem monofonen Synthesizer Roland SH-101 auf, der Anfang der 1980er-Jahre gebaut wurde. Ein Arturia-Synth sollte aber nicht mit dem Roland-Klassiker verglichen werden. Der MiniBrute erfüllt mit seiner Ausstattung die heutigen technischen Bedürfnisse sehr wohl und passt auch klangästhetisch besser zu den meisten neuen Musikstilen.

Diverse Modelle ohne Konkurrenz
Die beiden Synthesizer MiniBrute und MicroBrute mit jeweils einer 2-Oktaven-Tastatur sind sich zwar klanglich sehr ähnlich, bedingen aber unterschiedliche Arbeitsweisen. Der Grund: Der günstigere MicroBrute ist keine abgespeckte Version des MiniBrute. Er profiliert sich musikalisch vor allen Dingen mit einem programmierbaren Step-Sequencer, während der MiniBrute einen simplen Arpeggiator an Bord hat. Anders als sein großer Bruder ist der MicroBrute zudem halbmodular aufgebaut: Über ein Steckfeld aus acht Miniklinkenbuchen können Sie mit zwei kleinen Patchkabeln zwei Modulationsquellen (CV out/Env und LFO) mit sechs Parametern (Metal, Saw, Sub, Pitch, Filter, PWM) beliebig verbinden. Natürlich hat auch der MiniBrute eindeutige Vorzüge. Er verfügt über zwei separate ADSR-Hüllkurven (Lautstärke und Filter), einen Sinus-Suboszillator und einen Rauschgenerator. Bei den Filtertypen wartet er darüber hinaus noch mit einer Bandsperre (Notch) auf.
Die Frage „MiniBrute oder MicroBrute?“ stellt sich nicht wirklich. Eigentlich sollten Sie beide Synthesizer nutzen, besonders, wenn Sie den „Brute“-Sound der kleinen Arturia-Synthesizer mögen. Wegen der Klaviatur mit 25 Tasten normaler Größe ist der MiniBrute (Straßenpreis momentan bei ca. 400 Euro) eher für den Live-Keyboarder zu empfehlen, dank Stepsequencer und Modulationsmatrix bekommt der ambitionierte Elektroniker mit dem MicroBrute (ca. 330 Euro) eine kleine Waffe auf seinem Desktop platziert.
Es finden sich übrigens limitierte Sondermodelle des MicroBrute mit der Bezeichnung „SE“ in verschiedenen Farben (weiß, blau, orange). Der MiniBrute SE – falls Sie noch ein Gerät auf dem Kleinanzeigenmarkt ergattern können – glänzt mit Seitenteilen aus Holz und einem neuen Step-Sequencer.In diesem Workshop nehmen wir uns sowohl den Mini- als auch den MicroBrute vor. Wie schon in der ersten Workshop-Folge über den DSI Pro2 lassen wir übrigens die CV-Anschlüsse (zur Verbindung mit anderen externen analogen Geräten) beider Geräte außer acht.
Instrument kennen lernen
Bevor wir Hand anlegen, sollten Sie die Funktionen der Instrumente kennen lernen. Die Ausstattung an Parametern, die Sie auf der Oberfläche finden, ist schnell erklärt. Beispiel MiniBrute: Sein Oszillator stellt mehrere klassische Wellenformen bereit, die sich stufenlos mischen lassen. Hervorzuheben ist die Dreieck-Welle, die sich per „Metalizer“-Drehregler stark abwandeln lässt, so dass tatsächlich „metallisch“ klingende Sounds entstehen. Der Sägezahn kann mit dem Ultrasaw-Regler verformt werden. Nach dem Vorbild des „Supersaw“-Oszillators (eingeführt mit dem virtuell-analogen Synthesizer Roland JP-8000) entstehen durch Verschiebungen zweier Sägezahnwellen leicht oder stärker schwebende Klänge. Ein Sub-Oszillator ergänzt den VCO des MiniBrute durch Sinus- oder Rechteckwelle in zwei wählbaren Fußlagen. Dieser sogenannte „Sub Osc“ sorgt dann fast immer für die nötige Schubkraft. Über den Audio-Eingang können externe Signale eingespeist und zum Beispiel per Filter bearbeitet werden.
Vier Spielarten beherrscht das analoge „Steiner-Parker“-Multimode-Filter: Tief-, Hoch- und Bandpass sowie Bandsperre. Die Tiefpass-Variante arbeitet nicht mit 24 dB/Oktave (wie bei Moog), sondern mit einer Flankensteilheit von 12 dB. Sie wirkt aggressiv und macht Druck. Es gibt einen zum Arpeggiator und zur MIDI-Clock tempo-sychronisierbaren LFO mit mehreren Wellenformen, der auf Tonhöhe, Filter, Lautstärke, Pulsbreite und Metalizer einwirkt. Ein zweiter LFO übernimmt Vibrato-Effekte. Zwei Hüllkurven (Lautstärke und Filter) regeln den zeitlichen Verlauf. Sehr gut und fast schon eine Rarität: Sie können zwischen zwei Geschwindigkeiten (slow und fast) der Hüllkurven wählen.
Schließlich gibt es noch den Regler, der diesem Instrument seinen Namen verpasst: Der „Brute Factor“ ist im Grunde ein alter Trick, bei dem der Audio-Ausgang dem Filter-Eingang zugeführt wird. Diese Schleife führt zu rauen, übersteuerten bis hin zu sehr verzerrten Klängen.



Brute Factor und Metalizer probieren
Kleiner Synthesizer, große Freiheit: Sie können nicht einfach mit einem fertigen Preset beginnen, sondern müssen immer bei Null starten und alles selber erledigen. Beschäftigen wir uns weiter mit dem MiniBrute. An der Rückseite haben Sie als „Source Gate“ zunächst die Einstellung „KBD“ (Keyboard) gewählt. Im „Oscillator Mixer“ sind jetzt alle Schieberegler nach unten gezogen – nun ist absolut kein Klang zu hören.
Ihr erster Job ist es, einen simplen Soloklang („Saw Brass Lead“) zu erstellen, den Sie als Ausgangspunkt für viele weitere Klänge verwenden können. Schieben Sie einfach den Sägezahn-Schieberegler („Oscillator Mixer“) ganz nach oben und sorgen Sie dabei für eine lange Decay- und moderate Sustain-Phase der Lautstärkehüllkurve („Amplification Envelope“). Formen Sie den Klang mit dem Filter: Die Regler für „Cutoff“ und „Resonance“ stehen jeweils etwa auf 11 Uhr. Per Drehregler „Env AMT“ bestimmen Sie, wie stark das Filter per Hüllkurve geformt wird. Bei der Filterhüllkurve („Filter Envelope“) nehmen Sie ein dezentes Attack für eine bläserähnliche Charakteristik („Brass“) und eine kürzere Decay-Zeit. Mit dem Modulationsrad steuern Sie die Filterfrequenz, per Druckdynamik lösen Sie ein Vibrato aus. Alle weiteren Einstellungen sehen Sie in Abbildung 1.
Nun probieren Sie ein tolles Feature aus: Der „Metalizer“ funktioniert mit der Dreieck-Wellenform. Ziehen Sie also bitte den entsprechenden Oszillator-Drehregler nach oben und drehen anschließend den Metalizer-Drehregler vollständig auf. Die Wirkung bzw. die metallisch wirkende Klangfärbung soll automatisch ein LFO bei laufendem Arpeggio-Muster steuern. Stellen Sie nun den Arpeggiator auf „On“, nehmen als Notenwert 1/8 und das Muster „Up/Dwn“ über zwei Oktaven. Wichtig: Bei „LFO“ drehen Sie den Regler „PWM & Metalizer“ ganz auf. Mit der LFO-Wellenform Rechteck „zerhacken“ Sie das Arpeggio rhythmisch. Für klangliche Stabilität sorgt der Suboszillator. Probieren Sie als Filtertyp einmal den Bandpass. Alle genaueren Eingaben am MiniBrute entnehmen Sie bitte wieder dem Soundsheet in Abbildung 2 („Metalizer Arp“). Fertig ist unser Sound „Metalizer Arp“, den Sie natürlich gern variieren können.
Sie wollen den kleinen Franzosen zum Schreien bringen? Das klappt bestens mit dem Zusammenspiel von Filterresonanz und „Brute Factor“, wie beim nun folgenden Arpeggiator-Sound demonstriert. Beim Filter setzen Sie diesmal auf den Hochpass (Mode = HP). Für mehr Lebendigkeit moduliert der LFO temposynchron die Filterfrequenz, während Sie hauptsächlich per Modulationsrad das „Kreischen“ gestalten. Der Regler für „Brute Factor“ und Filterresonanz steht jeweils auf etwa 12 Uhr. Für einen stabilen Grundklang kommen beim Oszillator Rechteck plus Suboszillator zum Einsatz. Das Beispiel „Simple Brute“ in Abbildung 3 skizziert alle Einstellungen am MiniBrute. Übrigens können Sie mit dem „Brute Factor“ allein (ohne Oszillator oder Filterresonanz) Klänge erzeugen. Dies sollten Sie vor allem für tiefe, geräuschafte Sounds wie eine Kick-Drum nutzen.

Patchkabel am MicroBrute stecken
Der kleine MicroBrute überrascht: Oben rechts hält er noch ein Steckfeld für freie Modulationsverbindungen bereit. Eigentlich ist dies keine nette Option, sondern für Sounds mit LFO unverzichtbar. Wie beim MiniBrute fragen Sie sich, wie Sie auch ohne Chorus und Delay mehr Klangfülle erreichen. Die Antwort: Modulieren Sie vor allem die Pulsbreite und Ultrasaw per LFO. Am Beispiel eines Wobbling-Synths erfahren Sie, dass der LFO sogar zwei Parameter gleichzeitig steuern kann: Packen Sie das erste Minikabel und verbinden Sie LFO mit Filter. Nun stecken Sie das zweite Kabel bei LFO in die Buchse des ersten Kabels sowie in PWM. Bei Oszillator drehen Sie den Regler für Rechteck auf und auch den Regler „Pulse Width“. Der LFO wirkt nun aufs Filter und verändert noch die Pulsbreite. Nutzen Sie dabei den Overtone-Regler allgemein, wenn der Klang stabiler werden soll. Für die übrigen Einstellungen schauen Sie sich nun das Soundsheet in Abbildung 4 an.
Noch ein zweites Beispiel für den MicroBrute: „Synth Drums“. Diesem Sequencer-Patch liegt die Idee zugrunde, den LFO die Tonhöhe steuern zu lassen. Nehmen Sie also wieder das Patchkabel zur Hand und verbinden Sie die Anschlüsse „LFO“ und „Pitch“. Alle Einstellungen im Detail finden Sie in Abbildung 5. Der Dreieck-Oszillator mit ein wenig „Metalizer“ ist immer eine gute Wahl für drum-ähnliche Sounds. Um rhythmisch aktiv zu werden, schalten Sie einfach den Sequencer ein und suchen Sie ein Pattern aus.
Apropos Step-Sequencer. Das ist ein toller Bonus des MicroBrute. Er lässt sich von Ihrer Hand spielend leicht füttern: Schalter auf „Record“ bringen, nacheinander Tasten auf dem Keyboard anschlagen, danach auf „Play“ gehen und die Notenfolge triggern. Anstelle von Noten können Sie Pausen eingeben, indem auf die Taste „Tap/Rest“ gedrückt wird. Sogar zwei oder mehrere Pausen können Sie hintereinander eingeben. Tipp: Bitte zählen Sie die Eingaben (ob Note oder Pause) konsequent mit, um genau ein- oder zweitaktige Phrasen zu erzielen. Ihre eigenen Muster sollten dementsprechend vier, acht oder 16 Schritte haben.
Da beide Arturia-Synthesizer keine eigenen Effekte besitzen, sollten Sie Ihre Soundkreationen jedenfalls mit Delay und Hall abrunden. Nutzen Sie unbedingt auch den Analog-Eingang zur Bearbeitung externer Audiosignale mit dem Filter und dem „Brute Factor“ des MiniBrute.
Soweit ein paar Ideen zur Sound-Erstellung. Ich hoffe, Ihren Start mit dem MiniBrute und MicroBrute vereinfacht zu haben. Die kleinen analogen Synthesizer von Arturia sind jeden Cent wert. Effektvolles Schrauben funktioniert hier ohne großes technisches Wissen: Von Acid-Gezwitscher, schneidenden Leads über metallisch-harsche Sequencer-Klänge bis hin zu brutalen Wobble-Bässen reicht das hörenswerte Klangspektrum. Gerade für brachiale Klänge mit viel Biss sind die kleinen Analogen goldrichtig. Viel Spaß also bei den eigenen Sessions mit den beiden charismatischen Franzosen!
Tipp: Software-Hilfe
Arturia stellt für beide Synthesizer einen kostenlosen Software-Editor bereit. Die „Connection Software“ ist aber kein herkömmlicher umfangreicher Editor, sondern bietet nur einige zusätzliche Funktionen an, die sich am Gerät selbst nicht einstellen lassen. Das Gerät und der PC müssen über ein USB-Kabel verbunden sein. Einstellbar sind Noten-Priorität, Dynamikkurve, Sync-Modus (extern, intern und automatisch). Wer den MiniBrute live mit Druckdynamik spielt, wird die zu hohe Empfindlichkeit des Aftertouch abschwächen wollen, was man per „MiniBrute Connection“ kann. Speziell beim MicroBrute lassen sich noch Muster des Step-Sequencers zwischen PC und Instrument übertragen.
Internet: Arturia MiniBrute
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Tags: Workshop